PRODUKTIONSNOTIZEN

Gedreht wurde BERLIN: HASENHEIDE im Zweierteam, bestehend aus mir, der Kamerafrau und Regisseurin, und dem Tonmann, Alfred. Das hat den Vorteil der Flexibilität und lässt den Protagonisten den größtmöglichen Raum. Auf Ansteckmikros und dergleichen haben wir konsequent verzichtet. Da wir mit eigener Ausrüstung drehten, konnten wir ohne externe Finanzierung arbeiten. Es gab zwar anfangs einen interessierten Produzenten, aber nach mehreren Monaten des Wartens auf Reaktionen der Redaktionen waren wir es leid und haben einfach angefangen zu drehen. Gedreht haben wir immer dann, wenn sich neue Protagonisten gefunden haben - sei es bei meinen Joggingrunden, bei mäandernden Recherchegängen oder durch Mundpropaganda. Einige empfohlene Protagonisten waren leider nicht mehr auffindbar - wie etwa "Camper-Klaus", der ein gutes Jahr lang mit seinem Zelt in der Hasenheide gewohnt hat - Sommer wie Winter. Von der Polizei, die dort regelmäßig ihre Runden dreht, wurde er geduldet. Schließlich hat diese sogar eine Unterkunft für ihn organisiert - und nun hat er auch einen Job gefunden. Deshalb hat er nun nicht mehr viel Zeit, im Park abzuhängen. Manchmal noch ist er mit seiner Gitarre zu Besuch - er heißt jetzt "Gitarren-Klaus".

Leider haben es viele der Menschen, mit denen wir gedreht haben, nicht in den Film geschafft - so etwa die in Rüstung mit Schwertern und Lanzen kämpfenden Mittelalterfans, die Capoheira-Tänzer oder eine illegale Elektro-Party. Auch haben wir ein Filmteam beim Drehen eines No-Budget-Spielfilms begleitet, das aber wegen Fehlens einer Drehgenehmigung vom Ordnungsamt alsbald des Parks verwiesen wurde. Es war ein schwieriger Prozess während des Schnitts zu entscheiden, welcher der Protagonisten im Film bleiben darf. So gab es neben den beiden Damen mit ihren Hunden den jungen Türken Oguz mit seinem kleinen Jack Russell. Oguz hätte wunderbar alle existierenden Klischees gegen junge Türken in Neukölln widerlegt: Er spricht akzentfrei Deutsch, studiert und ist gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Darüber hinaus ist er überaus charmant, schlagfertig und witzig. Doch waren das der Hunde zu viele, und deshalb entschieden wir uns für die beiden so wunderbar konträren Damen. Dennoch hat der junge Mann einen kurzen Gastauftritt bekommen, in jener Szene, als der Hund Baya einen anderen Hund am Hundeauslaufplatz, wie's Hunde halt tun, beschnüffelt und dafür mit "Pfui, Baya, lass das" gerügt wird. Worauf der Zoologiestudent erwidert, dass man einen Hund nicht mit menschlichen sozialen und psychischen Standards messen kann.

Für uns war es wichtig, beobachtend zu filmen, nicht selbst zu inszenieren. Die beiden Damen mit ihren Hunden trafen sich zufällig, und wir waren zufällig dabei. Dies war so ein "Gefühl des Augenblicks", wie ihn Thomas Schadt in seinem gleichnamigen Buch beschreibt. Die Magie solcher Momente kann nicht inszeniert werden. Das Fremdeln der Beiden, der Versuch, miteinander in ein Gespräch zu kommen, aber auch die scheinbar unüberwindbare Unterschiedlichkeit, all das erschließt sich dem Zuschauer in einem einzigen Augenblick - nicht nur durch den Dialog der beiden.

Wie spricht man als bekleidete Regisseurin nackte Nudisten an? Da wir darauf keine gute Antwort hatten, befestigten wir am Ende eines Drehtags einen Zettel an einem Baum auf der FKK-Wiese, auf dem wir für unser Projekt warben. Während wir noch den Zettel an den Stamm banden, kamen schon neugierig einige Nackte und boten sich als Protagonisten an, nachdem wir ihnen das Projekt erklärt hatten. Am nächsten Tag bereits schwitzten wir in voller Kleidung bei 38° in der prallen Sonne, während sich unsere Protagonisten im Pool oder mit der Sprühflasche abkühlten.

Auch die Maientage, die sich 2010 zum 45. Male jährten, haben wir ausgiebig dokumentiert. Mal mit ganz vielen Besuchern, mal mit kaum Besuchern, und natürlich auch zu verschiedenen Tageszeiten. Ach ja, apropos Varianten: Wir hatten knapp zehn verschiedene Perspektiven, die wir vom Stativ gefilmt haben, zu allen nur erdenklichen Jahreszeiten. Nur, wie es eben so ist mit all dem schönen Material: Oft fällt es der digitalen Schere zum Opfer.

Zum Glück haben wir eine Cutterin engagiert, die einen frischen Blick aufs Material hatte, und mit der ich bereits vorher zusammen gearbeitet habe: Justyna Hajda. Geduldig hat sie mit mir immer wieder neue Varianten ausprobiert, und wir haben uns gemeinsam durch die gut 50 Stunden Material gewühlt. Dann folgten Testvorführungen mit Freunden, die zum Glück ganz offen Kritik übten. Und nun liebe Kritiker und Kritikerinnen seid ihr daran euch ein eigenes Bild von meinem Film und gerne auch von der Hasenheide zu machen.